Bugatti Chiron: Mit 490 km/h zum Geschwindigkeitsrekord
Bugatti erfand den Veyron, um die 400-km/h-Marke zu knacken. Sein Nachfolger übertrifft das: Ein modifizierter Chiron fuhr auf einer Teststrecke gut 490 km/h schnell.
Aus, Ende, vorbei. Künftig wird es keine Geschwindigkeitsrekorde des exklusivsten VW-Herstellers mehr geben. Bugatti-Boss Stephan Winkelmann nimmt seine Marke aus dem Rennen um das rasanteste Tempo. „Wir haben mehrfach gezeigt, dass wir die schnellsten Autos der Welt bauen. Künftig legen wir unseren Focus auf andere Bereiche“, lässt sich schnelle Chef zitieren.
Einen letzten Bestwert gibt es aber noch. Und der hat es in sich. Zum ersten Mal hat ein Auto die magische Grenze von 300 Meilen pro Stunde (mph, miles per hour) durchbrochen: Le-Mans-Sieger Andy Wallace erreichte in einem modifizierten Bugatti Chiron eine Höchstgeschwindigkeit von 490,484 km/h, umgerechnet 304,773 mph. Die Konkurrenz von Koenigsegg hat das bisher nicht geschafft.
Rekord: 490 km/h im modifizierten Bugatti Chiron
Streng genommen war Wallace in einem Vorserienauto unterwegs. Sein Rekordfahrzeug ist ein Prototyp eines Chiron-Derivats. Was Bugatti bisher noch sehr kryptisch ausdrückt, bedeutet: Es wird eine stärkere, schnellere Version des Chiron geben. Sie bekommt eine optimierte Aerodynamik, entwickelt vom Spezialisten Dallara, und einen Motor mit mehr Leistung. Für den Rekord lagen 1.600 PS an, 100 PS mehr als im normalen Chiron.
Einen Antrieb mit dieser Leistung baut Bugatti bereits im Jubiläumsauto Centodieci ein. Es handelt sich weiterhin um den W16-Zylinder mit 8,0 Litern Hubraum und vier Turboladern. Das limitierte Sondermodell ist bei einer Geschwindigkeit von 380 km/h abgeregelt. Das Rekordauto fährt ohne Geschwindigkeitsbegrenzer und mit einem verlängerten siebten Gang. In der Serienversion wird Bugatti voraussichtlich eine elektronische Drossel einbauen.
Michelin lieferte die Reifen für die Rekordfahrt. Eine spezielle Variante des Pilot Sport Cup 2 wurde für Geschwindigkeiten jenseits der 500 km/h entwickelt und vor der Montage geröntgt, um eventuelle Fehler zu erkennen. Die Reifen sind ein kritisches Element für jede Rekordfahrt. Sie sind Belastungen von 5.300 G ausgesetzt.
Probleme, die es in einem normalen Auto nicht gibt
Wallace erzählte im Gespräch mit dem Medium „Car and Driver“ von den Herausforderungen bei seiner Rekordfahrt. Er kennt die Strecke, schon 1998 stellte er an gleicher Stelle mit einem McLaren F1 einen Geschwindigkeitsrekord auf. Damals erreichte er ein Tempo von 391 km/h. Die Techniker hoben dafür die Maximaldrehzahl des Motors an.
Bei einem Tempo von beinahe 500 km/h spüre man weitere Kräfte, die auf und unter dem Auto gegeneinander kämpfen. Auftrieb gegen Abtrieb, dazu das Gewicht des Chiron und die gyroskopischen Kräfte an den Reifen. Man müsse sich ganz sicher sein, dass wirklich jedes Detail am Auto stimmt. Für den Notfall installierte Bugatti einen Überrollbügel und einen Sechspunktgurt.
Ein Teil der Teststrecke in Ehra Lessien wurde kürzlich frisch asphaltiert. Der Übergang von der neuen auf die alte Oberfläche sei im Normalfall nicht zu bemerken. Bei 447 km/h fühle er sich jedoch an wie eine kleine Sprungschanze. Dass ein Chiron diese Geschwindigkeit jemals auf einer öffentlichen Straße erreicht, gilt damit wohl als ausgeschlossen.
Während seiner Rekordrunde habe der Wagen nach dem „Sprung“ besonders gut gelegen. Wallace berichtet, das Auto sei noch nicht bei seiner eigentlichen Höchstgeschwindigkeit angelangt. Aber für mehr Tempo sei kein Platz gewesen – obwohl die Teststrecke in Ehra Lessien über die längste Gerade der Welt führt. Sie misst 8,8 Kilometer in der Länge und befindet sich auf 50 Metern Höhe über NN. Die Steilkurven vor und nach dieser Gerade dürfen mit maximal 200 km/h befahren werden.
Kein Guinness-Rekord für Bugatti
Trotz des beeindruckenden Tempos wird es der Bugatti Chiron nicht in das Guinness Buch der Rekorde schaffen. Das Regelwerk verlangt zwei Läufe in entgegengesetzte Richtungen innerhalb einer Stunde, das Mittel beider Höchstgeschwindigkeiten gilt als Rekord. Dennoch ist die gefahrene Geschwindigkeit offiziell: Das Tempo von 490,484 km/h wurde vom TÜV zertifiziert.
Die Entscheidung, keine weiteren Rekorde aufzustellen, ist ein großer Schnitt für Bugatti. Seit dem Neustart der Marke ging es vor allem um Tempo. Der Veyron war das erste Serienauto, das schneller als 400 km/h fuhr, er stellte mehrere Rekorde für offene und geschlossene Fahrzeuge auf. Dass der Chiron nachlegt, war für Experten und Fans eine Selbstverständlichkeit. 300 mph war eine wichtige Hürde. Die Konkurrenz wird sich aber bald um die 500-km/h-Marke bemühen.