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Wenn das Farzeug droht, die Spur zu verlassen, soll der aktive Spur-Assistent gegenlenken
Quelle: mobile.de
Wenn das Farzeug droht, die Spur zu verlassen, soll der aktive Spur-Assistent gegenlenken

Neue Sicherheitsvorschriften sollen unsere Autos im kommenden Jahrzehnt sicherer machen. Anfang 2019 einigten sich das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten auf ein Maßnahmenpaket, das im Herbst 2019 voraussichtlich vom Parlament abgesegnet und von den Regierungen bestätigt wird. Es sieht in der letzten Fassung 14 Einzelvorschriften für sicherere Fahrzeuge vor.

Neun davon betreffen neue Assistenztechnik für Pkw, drei eine bessere Sicherheitsausstattung für schwere Lkw und Busse. Hinzu kommen zwei neue Vorschriften für Crash-Tests, die Änderungen an der Karosseriestruktur erfordern. Unterm Strich bedeutet das: Sicherheitsfeatures, die heute in vielen Autos Aufpreis kosten, müssen dann zur Serienausstattung gehören. Sonst gibt es keine Typzulassung in der EU.

Die EU beschließt solche Verschärfungen in regelmäßigen Abständen. Das letzte große Maßnahmenpaket trat 2014 in Kraft. Seitdem müssen Neuwagen mit dem Schleuderschutz ESP, dem Kindersitz-Befestigungssystem Isofix, Gurtwarnern auf dem Fahrersitz und einer  Reifendruckkontrolle ausgerüstet sein. Das Tagfahrlicht an Neuwagen ist zudem seit Anfang 2011 vorgeschrieben, seit April 2018 außerdem der automatische Notruf „e-Call“.

Die nun beschlossenen, neuen Vorschriften treten schrittweise ab 2022 in Kraft. Dann gelten sie zunächst für alle neu entwickelten Fahrzeuge. Ab 2024 müssen alle Neuwagen mit den zusätzlichen Assistenten ausgestattet sein. Wir stellen die Systeme vor und erläutern kurz, worum es geht:

Fortgeschrittene Notbremssysteme

Autonome Notbremsfunktionen warnen bei einer bevorstehenden Kollision und können im Notfall eigenständig bremsen
Quelle: dpa
Autonome Notbremsfunktionen warnen bei einer bevorstehenden Kollision und können im Notfall eigenständig bremsen

Autonome Notbremsfunktionen gehören bereits heute quer durch alle Segmente zur Serienausstattung vieler Pkw. Ab 2022 werden sie zur Vorschrift in neu verkauften Personenwagen und Transportern. Sie warnen bei einer bevorstehenden Kollision und können im Notfall selbstständig eine Bremsung auslösen.

Vorrichtung für einfache Installation einer Alkoholsperre

Sowohl Pkw als auch Transporter, Lkw und Busse sollen ab 2022 mit einer standardisierten Schnittstelle für eine Alkoholsperre ausgerüstet sein. Damit können schnell Systeme eingebaut werden, die es verhindern, betrunken das Auto zu starten. Vor dem Start muss der Fahrer per Atemprobe oder Fingersensor seine Fahrtüchtigkeit nachweisen.

Ursprünglich prüfte die Expertengruppe die direkte Einführung einer verpflichtenden Alkoholsperre im Auto. Man entschied sich jedoch dagegen. Begründung: Nur ein Prozent der Autofahrer verursachten 75 Prozent aller Unfälle mit Alkohol als Ursache. Mit der neuen Schnittstelle könnten künftig zielgerichtet Einzelpersonen die Auflage erhalten, vor jeder Fahrt ihre Fahrtüchtigkeit nachzuweisen.

Müdigkeitserkennung, Erkennung von Unaufmerksamkeit

Sobald der Fahrer Anzeichen von Müdigkeit zeigt, schlägt das Müdigkeitserkennungssystem Alarm
Quelle: dpa
Sobald der Fahrer Anzeichen von Müdigkeit zeigt, schlägt das Müdigkeitserkennungssystem Alarm

Eine Müdigkeitserkennung beobachtet mit einer Kamera oder der Auswertung von Fahrdaten (Lenkbewegungen, Bremsverhalten) den Fahrer und schlägt Alarm, wenn er Symptome von Müdigkeit zeigt. Funktionsweise und Zuverlässigkeit der heute auf dem Markt erhältlichen Systeme sind jedoch noch sehr unterschiedlich. Hier fehlen derzeit noch Standards, was die Systeme für eine Zulassung genau können müssen. Danach sollen sie zur Pflichtausstattung in Pkw, Transportern, Lkw und Bussen werden.

Unfall-Datenschreiber

Datenrecorder, die kurz vor, während und nach einem Unfall Fahrzeugdaten aufzeichnen, gibt es heute schon in vielen Kraftfahrzeugen. Aufgezeichnete Daten sind zum Beispiel die zuletzt gefahrene Geschwindigkeit, der Zustand der Sicherheitsgurte oder ob die Bremse getreten wurde. Fraglich ist nach wie vor, wem die Daten zur Verfügung stehen sollen, wenn das System verpflichtend in jedem Neuwagen steckt. Außerdem müssen die Hersteller sich auf einen gemeinsamen Standard einigen.

Notfallbremslicht

Die Bremsleuchten leuchten bei einer harten Bremsung mehrfach und schnell auf
Quelle: mobile.de
Die Bremsleuchten leuchten bei einer harten Bremsung mehrfach und schnell auf, sodass sie gerade bei Regen oder Nebel deutlich zu erkennen sind

Das Notfallsbremslicht ist ebenfalls bereits in vielen Fahrzeugen zu finden – aber bisher nicht vorgeschrieben. Bei einer harten Bremsung leuchten die Bremsleuchten schnell und mehrfach auf. So werden nachfolgende Fahrzeuge vor einer Ausnahmesituation gewarnt. Einfach, aber effektiv.

Intelligente Geschwindigkeitsregelung

Das System namens „ISA“ (Intelligent Speed Adaption) soll mithilfe von GPS-Daten und Verkehrszeichenerkennung die aktuell geltende Höchstgeschwindigkeit ermitteln und bei einer Überschreitung warnen und das Fahrzeug automatisch darauf einbremsen. Der Fahrer kann jedoch das System überwinden, indem er das Gaspedal tritt. Experten prognostizieren, ein solches System könne die Zahl von auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführenden Unfällen um 30 Prozent senken.

Spurhalteassistent

Der aktive Spurhalte-Assistent lenkt gegen, wenn das Fahrzeug droht, die Spur zu verlassen – und damit in den Gegenverkehr oder den Straßengraben fahren könnte. Entsprechende Systeme existieren seit Jahren in der Autoindustrie und basieren meist auf den Bildern einer Frontkamera.

Insassenschutz bei seitlichem Aufprall 

Die entsprechenden Crashtests sollen erweitert werden auf alle Pkw und Nutzfahrzeuge. Bisher wird ein solcher Crash nur verpflichtend getestet, wenn der Fahrer mindestens 70 Zentimeter über Bodenniveau sitzt.

Rückfahrkamera oder -sensoren

Rückfahrkameras und  Sensoren sollen ab 2022 den Blick nach Hinten erleichtern
Quelle: Peter Besser
Rückfahrkameras und Sensoren sollen ab 2022 den Blick nach Hinten erleichtern

Egal ob Pkw, Lkw, leichtes Nutzfahrzeug oder Bus: Ab 2022 soll ein Hilfsmittel dem Fahrer den Blick nach hinten erleichtern, etwa beim Rangieren.  Ursprünglich dachten die Experten der EU-Kommission dabei vor allem an Warnsysteme vor Querverkehr beim Rückwärts ausparken. Auch kleine Kinder, die hinter hohen SUV stehen, sollten so besser geschützt werden.

Zwingend vorgeschrieben ist ab 2022 eine Warnfunktion. Ein bloßes Kamerabild, wie heute in vielen Pkw angeboten, reicht nicht aus. Allerdings lässt die Formulierung auch bloße Sensoren („Parkpiepser“) zu.

Reifendruck-Kontrollsystem

Reifendruck-Kontrollsysteme sind bereits seit 2014 in neu zugelassenen Pkw Pflicht. Sie warnen, wenn der Luftdruck im Reifen zu stark von einem definierten Wert abweicht oder messen permanent den Reifendruck.

Die Pläne sehen vor, dass ab 2022 auch Nutzfahrzeuge, Trucks und Busse damit ausgestattet werden sollen – ebenso große Lkw-Anhänger. Ob es sich dabei um direkt oder indirekt messende Systeme handelt, lässt die EU offen.

Fußgänger- und Radfahrererkennung mit Warnfunktion

Um Fußgänger oder Radfahrer besser zu erkennen, sollen LKWs mit kamera- oder sensorbasierten Warnsystemen ausgestattet werden
Quelle: dpa
Um Fußgänger oder Radfahrer besser zu erkennen, sollen LKW mit kamera- oder sensorbasierten Warnsystemen ausgestattet werden

Schwere Lkw und Busse sollen mit kamera- oder sensorbasierten Warnsystemen ausgestattet werden, die Fußgänger und Radfahrer vor oder neben dem Fahrzeug erkennen. Die Geräte müssen klar signalisieren, wo um den Lkw herum eine Unfallgefahr entstehen kann. Bisher, so hebt der Entwurf hervor, verlassen sich Lkw-Fahrer ausschließlich auf Spiegel. Dies sei für den Fahrer schwer zu überblicken, weshalb es immer wieder zu tödlichen Unfällen komme.

Verbesserte Fußgänger- und Radfahrer-Sichtbarkeit vom Fahrersitz aus

Neue Vorschriften für Fahrerkabinen sollen dafür sorgen, dass zwischen Lkw- und Busfahrern ein leichterer Blickkontakt mit Fußgängern und Radfahrern möglich ist. Dabei denken die Regulierer vor allem an tiefer liegende Fahrerkabinen, die den Fahrer näher an die Straße heranholen – und an größere Glasflächen, die die Übersicht verbessern.

Strengere Frontaufprall-Crashtests

Die EU-Pläne sehen vor, einen zusätzlichen vollen Frontalaufprall-Crashtest einzuführen. Ziel ist, Verbesserungen bei Sitzgurten zu erreichen. Hierfür werden weiterentwickelte Dummies eingesetzt, an denen sich zusätzliche Verletzungsgefahren testen lassen. Bei Pkw werden wegen des Tests vermutlich nur kleine Anpassungen nötig. Anders bei vielen leichten Nutzfahrzeugen, für die der Test ebenfalls eingeführt wird.

Daneben sollen die Vorschriften für einen bestehenden Test mit 40 Prozent Überlappung ausgeweitet werden: Der ist bisher nur für Pkw bis 2,5 Tonnen vorgeschrieben. Diese Begrenzung soll entfallen, vor allem im Hinblick auf schwere SUV und Elektroautos.

Vergrößerte sichere Kopfaufprall-Zone für Fußgänger und Radfahrer

Ursprünglich empfahl die EU-Kommission, erst 2024 neue Sicherheitsstrukturen an Pkw-Karosserien vorzuschreiben – entschied sich aber anders. Kommt es heute zu einem Unfall mit Kopfaufprall auf der Motorhaube, endet das in vielen Fällen bereits glimpflich. Im Bereich der A-Säule und Windschutzscheibe sieht das anders aus. Dort befinden sich weiterhin sehr harte, steife Strukturen. Die neue Regelung schreibt ab 2022 bei Pkw und Transportern den Einsatz von Sicherheitsglas vor, das bei einem Aufprall nachgibt.

Was bedeuten die neuen Vorschriften?

Einige der Systeme werden voraussichtlich dafür sorgen, dass vor allem Fahrzeuge im unteren Preissegment spürbar teurer werden. So benötigt künftig jeder neue Pkw eine Front- und eine Heckkamera, sowie Soft- und Hardware, um die damit erzeugten Daten zu verarbeiten. Neue Fahrzeuggenerationen müssen außerdem in Crashtests strengere Anforderungen erfüllen und Lkw übersichtlicher werden.

Die EU will mit den neuen Vorschriften bis zum Jahr 2038 rund 25.000 Todesfälle und 140.000 schwere Verletzungen im Straßenverkehr vemeiden. Im Jahr 2017 seien europaweit noch 25.300 Menschen auf Europas Straßen ums Leben gekommen. Daneben will die EU den Weg zum autonomen Fahren ebnen, indem zumindest eine Grundausstattung an Sensorik und KI in jeden neuen Pkw einzieht.

Die Autoindustrie begrüßt die Änderungen – prinzipiell. Sie hat schließlich genug Zeit, um sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. Hinzu kommt, dass die meisten der geforderten Technologien heute bereits im Handel sind. Werden sie künftig zur Pflichtausstattung, steigen die Stückzahlen der Ausstattungskomponenten – das bedeutet sinkende Preise. Die meisten Systeme seien bereits im Serieneinsatz oder stehen kurz vor der Serienreife, bestätigt der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) in Reaktion auf das Maßnahmenpaket. Der Autofahrer-Club ADAC mahnt dagegen, dass die Mehrkosten pro Fahrzeug in einem vernünftigen Rahmen bleiben müssten. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass vorgeschriebene Systeme tatsächlich ausgereift genug seien.

Das scheint heute noch nicht in allen Fällen zuzutreffen. So räumte der europäische Verband der Automobilhersteller (ACEA) Ende 2018 ein: Verkehrszeichen-Erkennsysteme arbeiten derzeit noch nicht zuverlässig genug. Die zu hohe Fehlerquote führen die Hersteller auf europaweit nicht einheitliche Verkehrszeichen, verdeckte Schilder und widersprüchliche Ausschilderungen zurück. Mitunter leiden die Systeme auch unter veralteten oder falschen Navi-Daten. Soll das Auto auf Grundlage dieser Daten, wie vorgesehen, selbständig bremsen, muss sich dies bis 2022 noch verbessern.

Diese Assistenzsysteme werden ab 2022 Pflicht

Seit 2014 sind Reifendruck-Kontrollsysteme in neu zugelassenen Pkws Pflicht
Sobald der Fahrer Anzeichen von Müdigkeit zeigt, schlägt das Müdigkeitserkennungssystem Alarm
Autonome Notbremsfunktionen warnen bei einer bevorstehenden Kollision und können im Notfall eigenständig bremsen
Insassenschutz bei seitlichem Aufprall in Vans
Um Fußgänger oder Radfahrer besser zu erkennen, sollen LKWs mit kamera- oder sensorbasierten Warnsystemen ausgestattet werden
Wenn das Farzeug droht, die Spur zu verlassen, soll der aktive Spur-Assistent gegenlenken
Mithilfe des  ISA (intelligent Speed adaption) soll die aktuell geltende Höchstgeschwindigkeit ermittelt werden
Rückfahrkameras und  Sensoren sollen ab 2022 den Blick nach Hinten erleichtern
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Seit 2014 sind Reifendruck-Kontrollsysteme in neu zugelassenen Pkws Pflicht
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Sobald der Fahrer Anzeichen von Müdigkeit zeigt, schlägt das Müdigkeitserkennungssystem Alarm
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Autonome Notbremsfunktionen warnen bei einer bevorstehenden Kollision und können im Notfall eigenständig bremsen
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Riesenairbags bieten Insassenschutz bei seitlichem Aufprall in Vans
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Um Fußgänger oder Radfahrer besser zu erkennen, sollen LKW mit kamera- oder sensorbasierten Warnsystemen ausgestattet werden
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Wenn das Farzeug droht, die Spur zu verlassen, soll der aktive Spur-Assistent gegenlenken
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Mithilfe des ISA (Intelligent Speed Adaption) soll die aktuell geltende Höchstgeschwindigkeit ermittelt und eingehalten werden
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Rückfahrkameras und Sensoren sollen ab 2022 den Blick nach Hinten erleichtern
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